Friede

Friede?

Welcher Friede?

Wie soll ich je wieder Frieden finden?
Ich befinde mich mitten im Kampf –
in dem härtesten Kampf meines Lebens-
in dem Kampf meines Überlebens.

Friede?

Wie soll ich je wieder Frieden finden?

– die Zeit wird es heilen
– es ist besser für ihn
– wer weiß, was ihr alles erspart blieb
– du wirst darüber hinwegkommen
– du bist noch jung

Hört ihr euch selbst?

Ihr habt keine Ahnung von meinem Kampf.
Ihr seid voller Angst vor meiner Trauer.
Ihr wollt, dass ich wieder funktioniere,
damit es euch besser geht.

Friede!

Seit du nicht mehr da bist,
ist mein Leben ein einziger Kampf,
ein einziges Schlachtfeld.
Ich kämpfe für und gegen alles,
an allen Fronten.
Ich bin eingekesselt.
Ich fühle mich verloren, verraten, verlassen.
Man schlägt auf mich ein mit
„lieb gemeinten“ Phrasen.

Und ich? Ich ziehe mich zurück.

Seit du nicht mehr da bist,
kann ich nur noch überleben.

Nehmt mich wahr
und nehmt mich ernst in meinem Kampf,
in meiner Trauer.

Lasst mir Zeit.
Lasst mir alle meine Tränen.
Lasst mir meinen tiefen Schmerz.
Lasst mir meine Wut.
Lasst mir meine Verletztheit

Gebt mir einfach Zeit –
viel Zeit.
Seid für mich da –
einfach da.
Redet nicht auf mich ein –
hört zu –
hört einfach zu.

Vielleicht dürft ihr mich umarmen –
 irgendwann.
 Und dann haltet mich –
 haltet mich einfach fest –
 ohne Worte.

Gebt mir die Zeit zu trauern –
haltet es mit mir aus –
haltet mich aus.
Dann kann der Friede kommen.
Mein Friede.
Mein innerer Friede.

                                                mes

Ambulante ökumenische Hospizhilfe Siegen Aquarell

wenn es soweit sein wird
mit mir
brauche ich den Engel
in dir

bleibe still neben mir
in dem Raum
jag den Spuk, der mich schreckt
aus dem Traum

sing ein Lied vor dich hin
das ich mag
und erzähle was war
manchen Tag

Friedrich Karl Barth

Ausbildung, Sterbebegleitung

Die Wasseramsel
Nur einmal
hat sich die Wasseramsel gezeigt.
Es strahlte
das Weiß an ihrer Brust.
Wo sie hinabgetaucht ist,
kann uns der Fluß
nie wieder dunkel werden.
Christina Busta


Memento
Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang,
Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.
Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?
Allein im Nebel tast ich todentlang
Und laß mich willig in das Dunkel treiben.
Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.
Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;
Und die es trugen, mögen mir vergeben.
Bedenkt: den eignen Tod, den stirbt man nur,
doch mit dem Tod der andern muß man leben.
Mascha Kaléko

Meine beiden Gesichter
Geht es dir gut,
werde ich gefragt
im Vorübergehn.
Doch, gut, sage ich
und zeige
das passende Gesicht:
mein gutgehendes Gesicht.
Mein anderes Gesicht
verberge ich liebevoll
unter meiner Kleidung.
Zuhause ziehe ich
mich aus.
Dann darf es
seine Trauer tragen.
Renate Salzbrenner

Hoffnung
Nein
ich bin meiner Sache nicht sicher
was das Ende betrifft
das Sterben das Grab das Vergehn
und den unaufhaltsamen Tod
der mich aufzehren wird
und austilgt für immer
daran ist kein Zweifel
Und doch bin ich manchmal nicht sicher
und zweifle am Augenschein
und denke nach
ob nicht doch etwas bleibt
von dem was ich war ob nicht doch
im grauen Geröll in dem Staub
in dem Tod eine Spur sich
unvergessen erhält
ob nicht doch einer ist
der mich ruft mit Namen vielleicht
der mir sagt dass ich bin
dass ich sein soll für immer
und leben werde mit ihm
Nein
ich bin meiner Sache nicht sicher
was das Ende betrifft und den Tod
gegen den Augenschein
hoff ich auf Ihn.
Lothar Zenetti

Zitate

„Happiness can be found even in the darkest of times,
if one only remembers to turn on the light.“
Albus Dumbledore (Harry Potter, J.K. Rowling)

Leben ist wie Schnee, Du kannst ihn nicht bewahren.
Trost ist, dass Du da warst, Stunden, Monate, Jahre.
(Herman van Veen)



Lebens-Netze,
die uns tragen!

Die Ausdauer, die Zuversicht, dass alles gelingt, die Geduld einer Spinne,
all das wünschte ich mir.

Das Netz meines Lebens, im Laufe all der Jahre mal mühselig, mal unter schweren Lasten, mal leicht und fröhlich, gesponnen.

An manchen Stellen grobmaschig,
durchlässig, dann wieder engmaschig und filigran.

Und doch hat es mich all die Jahre getragen.
Hat vielen Stürmen standgehalten, so manchen Regenschauer überlebt.

Der eine oder andere Faden ging verloren, verfing sich im Netz, trotzdem blieb es stabil und fest.

Tragfähig.

Doch mit dem letzten Hagelsturm,
mit deinem Tod,
da ist mein Lebensnetz zerrissen.

Nun klafft ein Loch, das Netz, es droht zum Spielball der Naturgewalten zu werden,
droht mich in die Tiefe, in das Nichts fallen zu lassen.

Doch nichts geschieht.

Der Sturm vergeht, die Stille kommt.

Die Tragfäden meines Lebensnetzes sind weiter fest verankert.

Ich werde gehalten.

Die klaffende Lücke bleibt,
doch das Netz trägt.
Und ich beginne langsam die Tragfäden meines Lebensnetzes zu stabilisieren,
lerne mit der Lücke und um die Lücke herum, mein Netz weiter und neu zu spinnen.
Lebensnetz.
Auffangnetz.        
Halt und Geborgenheit.

                                                   (mes 6/23)

Bildquelle: Pixabay