Das 2. Siegener Hospizgespräch 2016
Das Geheimnis des Lebens berühren – Spiritualität bei Krankheit, Sterben, Tod
Wie stark das Interesse an dem von der Ambulanten ökumenischen Hospizhilfe Siegen in Kooperation mit dem Caritasverband Siegen-Wittgenstein für das 2. Siegener Hospiz- gespräch ausgewählte Thema über „Spiritualität am Lebensende“ war, zeigte sich an dem vollbesetzten Hörsaal im St. Marien-Krankenhaus Siegen. Nicht jeder Teilnehmer fand einen Sitzplatz. Für Bürgermeister Steffen Mues war dies in seiner Begrüßungsrede ein sichtbares Zeichen für die meist verborgene, aber existenziell so wichtige Frage nach Spiritualität (nicht nur) am Lebensende. Das große Interesse mache deutlich, wie wertvoll und notwendig die ehrenamtliche Arbeit in der Hospizarbeit in unserer Region ist. Er bedankte sich ausdrücklich bei den Haupt – und Ehrenamtlichen für ihre Arbeit. Mues wörtlich: „Durch Sie wird ein unglaubliches Stück Menschlichkeit in der letzten Lebensphase möglich.“
Hauptredner der Veranstaltung war Dr. Erhard Weiher, Klinikseelsorger an den Universitätskliniken Mainz, Diplomphysiker und Dr. theol. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als Krankenhaus-Seelsorger ist für ihn Spiritualität etwas elementar Menschliches, sozusagen ein Grundbedürfnis des Menschen. Genau wie Gefühle, so Weiher, zur Wirklichkeit des Menschen gehören, ist Spiritualität ein wichtiges, innerstes Motiv, das das ganze Leben eines Menschen, erst recht in Krankheit und beim Sterben mitbestimmt. Dabei ist es schwierig und diffus, den Begriff von Spiritualität einheitlich und allgemeingültig zu definieren. Eine mögliche Antwort, was Spiritualität ist, formuliert Weiher so: „Spiritualität ist eine innerste Gestimmtheit, ein bewusster oder nicht bewusster innerer Geist , der das Alltagsleben transzendiert, aus dem heraus Menschen ihr Leben empfinden, sich inspiriert fühlen und ihr Leben gestalten.“ 1 ) Spiritualität wird, gegenüber früherer, traditioneller Zeit, heute in der Postmoderne, in einen größeren Kontext gestellt und umfasst das geistige Potenzial an Selbst- und Weltempfinden, der Lebenseinstellung und der Sinnerfahrungen. Spiritualität ist der Geist der Lebensart und Lebensäußerungen. War Spiritualität noch bis vor wenigen Jahrzehnten ein Begriff der Frömmigkeitsgeschichte der christlichen Religion, ist er heute über den Bereich der Religion hinausgewachsen. Spiritualität wird heute vorwiegend für eine geistliche Einstellung außerhalb der christlichen Religion verwendet ohne dass die religiöse Verbindung dabei verloren geht.
Diese kulturelle Veränderung bedeutet für Weiher zweierlei. Zum einen ist zu unterscheiden zwischen einer „religionsbezogenen“ und einer „nicht religionsbezogenen“ Spiritualität. Zum anderen, dass in der täglichen Betreuung und Begleitung schwerstkranker und sterbender Patienten, alle professionell Helfenden (Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten, Psychologen, Sozialarbeiter und auch die ehrenamtlichen Hospizmitarbeiter) gefordert sind, sich mit der Spiritualität auseinanderzusetzen und sie nicht mehr allein dem Seelsorger zu überlassen. Patienten, Bewohner im Altenheim, Sterbende und ihre Angehörigen bringen außer ihrer körperlichen Verfassung auch ihre emotionale, soziale, mentale und kulturelle, vor allem aber auch ihre spirituelle Wirklichkeit mit in die Arztpraxis, das Krankenhaus, das Pflegeheim oder Hospiz – sozusagen die ganze Innenseite ihrer Persönlichkeit. Es gilt, diese wertvolle Dimension der persönlichen Innenwelt der Spiritualität anzusprechen und klingen zu lassen, damit die Ganzheitlichkeit von Körper, Geist und Seele des Menschen bei der Bewältigung und Linderung von Leid und Schmerz, Krankheit und Tod als eine Einheit erkannt und angesprochen wird, und er sich in Verbindung weiß mit dem Geheimnis des Lebens. Denn Spiritualität bedeutet, das Leben in einen größeren Zusammenhang zu stellen.
Im Anschluss an den Vortrag wurden in einer Talkrunde noch über unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen aus der Praxis diskutiert. Dabei wurde deutlich, wie notwendig aber auch schwierig es heute noch ist, das Thema Spiritualität im Alltag anzusprechen. Deshalb fordern, so Weiher, Palliativ-Konzepte ausdrücklich, dass alle professionellen Helfer und Begleiter lernen, kundig mit der Spiritualität umzugehen, damit sie ihren Patienten bei der Sinnsuche beistehen können. Schließlich legen die Patienten nicht nur ihren Leib sondern auch ihre Seele vertrauensvoll in die Hände der verantwortlichen Betreuer und Begleiter. Ein Wegweiser in diese Richtung ist das nachstehend aufgeführte Buch von Dr. Weiher:
“Das Geheimnis der Lebens berühren, Spiritualität bei Krankheit, Sterben, Tod”